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Leptonen im Standard-Modell - Die Bedeutung der Neutrinomasse  

Naiv gedacht, könnte man meinen, dass es doch keinen großen Unterschied machen sollte, ob Neutrinos nun die Ruhemasse 0 oder eine sehr kleine Ruhemasse besitzen. Die Konsequenzen, die dieser scheinbar so unbedeutende Unterschied nach sich zieht, sind allerdings enorm. Es wird daher intensiv an der Frage "Welche Masse haben Neutrinos?" geforscht. Vor den folgenden Überlegungen sei vorausgeschickt, dass die Neutrinos im Standard-Modell der Teilchenphysik als masselos, also mit Ruhemasse 0 angenommen werden.    
Nehmen wir trotzdem an, Neutrinos hätten eine - wenn auch sehr sehr kleine - Ruhemasse. Welche Konsequenzen ergäben sich daraus? 

Die Neutrinos dürften sich nicht mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, denn nur Teilchen ohne Ruhemasse wie die Photonen können sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. 
  Neutrinos hätten die Eigenschaft, dass es sie nicht nur linkshändig gäbe (wie im masselosen Fall).

D.h., dass der Spin aller Neutrinos nicht nur entgegengesetzt zu ihrer Flugrichtung gerichtet wäre. Analog gäbe es auch nicht nur rechtsdrehende Antineutrinos (ihr Spin zeigt in Flugrichtung). Wenn Neutrinos also eine Ruhemasse hätten, müsste es auch rechtshändige Neutrinos und linkshändige Antineutrinos geben. Das Problem dabei ist, dass die schwache Wechselwirkung, die die einzige Wechselwirkungsmöglichkeit für die ungeladenen Neutrinos ist (abgesehen von der viel zu geringen Gravitations-     wirkung), nur auf linkshändige Teilchen und rechtshändige Antiteilchen wirkt. Das heißt, dass rechtshändige Neutrinos und linkshändige Antineutrinos in unserer Welt überhaupt nicht wechselwirken könnten    
Teilchen, die nicht wechselwirken, kann man nicht nachweisen, so dass man natürlich aus der Tatsache, dass man sie noch nicht gefunden hat, auch nicht schließen kann, dass es sie nicht gibt.  








Eine andere wichtige Konsequenz, die sich aus einer Neutrinomasse ergibt, betrifft unser Weltall.
   

Radioastronomen haben aufgrund von Messungen mit ihren Radioteleskopen festgestellt, dass sich das Weltall ausdehnt. Diese Tatsache passt auch ins Bild der Urknalltheorie, nach der alle Materie des Weltalls durch eine unvorstellbar große Explosion (den "big bang") entstanden ist und heute, Milliarden Jahre danach, immer noch "auseinanderfliegt". Es gibt zwei Theorien, wie die Entwicklung des Weltalls weitergeht. Die eine besagt, dass es auch weiterhin auseinanderfliegen wird, die andere, dass die Expansion zum Stillstand kommt und sich daran eine Phase der Kontraktion, also des Zusammenziehens eintritt. Der Grund für das Zusammenziehen ist die Gravitations-Anziehung der im Weltall verteilten Masse. Der Knackpunkt zwischen beiden Theorien ist die     sogenannte " kritische Dichte " des Weltalls. Ist die tatsächliche Dichte unter diesem Wert, so wird das Weltall weiter expandieren, ist sie darüber, wird es zum Stillstand mit anschließendem Zusammenziehen kommen.     
Die Berechnungen der Astrophysiker ergeben im Augenblick einen Wert unter der kritischen Dichte, so dass alles für eine weitere Expansion spricht. Nimmt man aber an, dass Neutrinos eine Masse besitzen, so reicht auch ein extrem kleiner Wert bereits aus, um bei der unglaublich hohen Anzahl an Neutrinos über die kritische Dichte zu kommen. Demnach würde sich das Weltall irgendwann wieder zusammenziehen. Manche Astrophysiker vermuten, dass die Masse der Neutrinos die sogenannte dunkle oder fehlende Materie des Universums ausmacht.    
Die Galaxie M31

Wenn Neutrinos eine Masse hätten, könnten sogenannte Neutrino-Oszillationen auftreten. 

Als Neutrino-Oszillationen bezeichnet man (vereinfacht gesagt) die mögliche Umwandlung von einer Neutrino-Art in eine andere mit einer bestimmten Frequenz, die von der Massendifferenz der beiden Neutrinos abhängt. Könnte man sie beobachten, wäre das ein Beweis für eine Neutrinomasse. Anzeichen für Neutrino-Oszillationen bei Experimenten seit den 80er Jahren bis heute hielten einer kritischen Prüfung nicht stand, allerdings könnte ein Experiment in Japan, das Mitte 1998 erste Ergebnisse erzielte, erstmals sehr deutliche Hinweise auf Neutrino-Ozillationen liefern; mehr dazu auf den nächsten Seiten.      
Einen möglichen Hinweis auf Neutrino-Oszillationen könnte auch ein unerwartetes Messergebnis im Zusammenhang mit Sonnenneutrinos liefern. Geht man davon aus, dass die Prozesse, die in der Sonne stattfinden, richtig verstanden wurden, so kann man die theoretische Anzahl an Elektron-Neutrinos berechnen, die auf    
die Erde "prasseln" müssten. Messungen, die seit den 70er Jahren stattfinden, ergeben aber eine Anzahl, die nur etwa 40 % der theoretischen Zahl beträgt. Emittiert die Sonne weit weniger Neutrinos, als es das Sonnenmodell vorhersagt?    
Eine Erklärung wären wiederum Neutrino-Ozillationen, die dazu führen, dass sich Elektron-Neutrinos auf ihrem Flug von der Sonne zur Erde in andere Neutrino-Arten verwandeln und dann natürlich den Messungen, die nur auf Elektronen-Neutrinos ausgelegt sind, entgehen.     
Diese Erklärung bzw. Vermutung ist allerdings noch spekulativ, also durch kein Experiment belegt. Die Teilchenphysiker forschen intensiv, um dieses Rätsel zu lösen.   
Die genaueren Zusammenhänge zwischen Neutrinomasse und Neutrino-Oszillationen, sowie die neuesten erstaunlichen Messergebnisse besprechen wir auf den nächsten Seiten.  
Die Sonnenoberfläche, betrachtet durch einen starken Filter

In folgender Tabelle sind noch einmal einige Neutrino-Eigenschaften aufgeführt, die als gesichert gelten. 
 
Name Generation Ruhemasse in MeV/c 2 (gesicherte Obergrenzen) elektrische Ladung in e
Elektron-Neutrino n e I.   < 15 . 10 -6 0
Müon-Neutrino n m II.   < 0,17 0
Tauon-Neutrino n t III. < 24 0  


Zur Kontrolle, ob bisher alles klar geworden ist, was wir zu den Leptonen besprochen haben, gibt es hier ein  zum Quiz über die Leptonen über Leptonen.  
 
 
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